Was man über den Wort-Zauberer, Terry Pratchett, auch sagen mag, würde unzureichend gewesen. Nach seinem Tod am 12. März dieses Jahres haben unvergessliche Zitate aus seinen Büchern die Medien überschwemmt. Wir aber ehren Sir Terry Pratchett mit einem Auszug aus seinem letzten Interview über eines seiner aktuellen Bücher – „Dodger“. Tasha Robinson von A.V.Club trifft sich mit dem britischen Knight Bachelor und wir möchten Ihnen einen Teil seiner Worte ins Gedächtnis rufen, die bereits in der Geschichte geblieben sind.
Wie kreieren Sie Ihre Geschichten? Was kommt zuerst: die Charaktere oder die Handlung?
Nun, die Charaktere sind eigentlich die Handlung. Das, was sie tun und die Dinge, die mit ihnen geschehen, schaffen letztlich die Handlung. Du kannst das eine nicht vom anderen trennen, wirklich. Im Übrigen saß ich vorgestern mit meinem Agenten und er fragte: „Erzähl mir von diesem Monat, wie läuft´s?“. Es war, als stünde ich vor meinem Lehrer und ich begann zu stottern: „War gut, und ich weiß, wie es läuft, weil dieser, und dann das andere… und noch ein bisschen dort… was ich für wichtig halte…und jetzt wird es noch wichtiger. Und dann wird ihm der Herr dabei helfen und…“. Verstehen Sie, alles ist in Ihrem Kopf, die Sache ist aber, dass ich Vieles verändern muss, und schließlich sieht es nicht so aus, wie es klingt. Meine Frau sagt, dass ich die Geschichte beim Träumen erfinde.
Gab es einen Prozess der Vorbereitung auf den „Dodger“? Haben Sie Charles Dickens oder einen anderen Autor, der Sie inspiriert hat, erneut gelesen?
Gute Frage. Als Teenager las ich jedes Heft der Zeitschrift „Punch“. Jeder englisch schreibende Schriftsteller hat zu irgendeinem Zeitpunkt für „Punch“ geschrieben. Ich bewunderte Jerome K. Jerome. Sehr beeindruckt war ich, als ich einen Beitrag von Mark Twain in „Punch“ gelesen und dabei begriffen hatte, dass beide Schriftsteller, obwohl sie auf verschiedenen Kontinenten lebten, den gleichen lakonischen Ausdruck und eine Einstellung von der Art „Die menschliche Rasse ist verdammt dumm, aber sehr interessant“ besaßen. Sie sprachen mit der gleichen Stimme. Wenn du jung bist und so etwas feststellst, das ist wirklich großartig. Ich habe mich für die viktorianische Ära in „Dodger“ gerade von „Punch“ inspirieren lassen.
Das Quellenmaterial ist ziemlich bedrückend, nichtsdestotrotz stellt sich „Dodger“ als eine romantische Geschichte heraus.
So romantisch ist sie letztlich auch nicht. Vergessen Sie nicht, dass sich mein romantischer Held eigentlich mit einer Leiche auseinandersetzen muss.
Schreiben Sie Bücher für junge Leute anders als solche für Erwachsene?
Die jungen Leute stehen mir so nahe. Ich war überrascht, dass meine beiden Redakteure ihre Zustimmung für den größten Teil von „Dodger“ gegeben haben mit den Worten: „Die heutigen Kinder wissen viel über Vampire und allerlei ähnliche Sachen.“ Das sind nicht die Kinder, die ich aus meiner eigenen Kindheit kenne. Du darfst die Leser in die Finsternis mitziehen, aber dann muss du es ihnen ermöglichen, herauszukommen.
Die Bücher für Erwachsene folgen das gleiche Modell. Ihr Hauptheld muss sich wirklich zu seinem Sieg durchkämpfen, oft durch die Finsternis, aber am Ende schafft er es immer.
Nun, ich glaube, ich bin einfach so.
Hoffen Sie, dass „Dodger“ verfilmt wird?
Man hofft natürlich immer. Jetzt haben wir auch unsere eigene Produktionsgesellschaft. Wir können auch darüber nachdenken.
Ihre Alzheimer-Krankheit und Ihr Eintreten für ein selbstbestimmtes Sterben stehen im Mittelpunkt der meisten Medien, wenn sie von Ihnen berichten. Machen Sie sich Sorgen darüber, dass dies Ihre schreiberische Leistungen überschatten kann?
Am Anfang war ich sehr verärgert. Alles ist sehr hektisch, und ich bin müde davon. Wie ich zu sagen pflege, die meisten Probleme, die ich habe, entstehen, weil ich 65 Jahre alt bin. Wenn Sie meine letzten 8 Bücher lesen, die ich mit meiner Erkrankung geschrieben hatte, werden Sie sicherlich kaum merken, dass es sie gibt. Alle diese Bücher sind Bestseller. PCA ist eine andere Art von Alzheimer. Eine ziemlich langsame. Zuerst nahm sie mir meine Fähigkeit weg am Computer zu schreiben. Man erwartet, dass sich die Finger weiterbewegen, dass man weiß, was sie tun. Ich kenne viele Menschen mit PCA, die älter sind als ich, und denen es immer noch gut geht. Es gibt ein gewisses Versagen, aber nichts anderes als die Frage deines Großvaters: „Wo habe ich meine Schuhe?“. Es ist nicht wie mitten auf der Straße zu stehen und nicht zu wissen, wo man sich zum Teufel befindet, oder so etwas.
Haben Sie es jemals bereut, dass Sie Ihre Krankheit öffentlich gemacht haben?
Keinesfalls. Abgesehen von allem anderen, muss ich zugeben, obwohl ich mich deswegen schäme, dass meine Popularität enorm gestiegen ist. Ich war der Mann vom Fernseher. Ich war nie zuvor so bekannt gewesen. Die Umsätze stiegen und stiegen. Wenn ich daraus Geld mache, werde ich es für Wohltätigkeit ausgeben.
Wenn Sie die Wahl hätten, welches Vermächtnis von sich selbst würden Sie den anderen hinterlassen: „Er war ein unermüdlicher Fürsprecher der Menschen, die sterben wollen, und veränderte die Welt für sie“, oder: „Er war wirklich ein großer Schriftsteller“?
Ich würde den großen Schriftsteller auswählen. Obwohl ich mich nicht für einen solchen halte. Ich weiß, dass ich einen Stil habe, der zu erkennen ist. Ich glaube, Sie können Terry Pratchett in jedem Buch sehen. Ich mache es gerne. Ich war mal Journalist. Ich sehe mich heute noch als Journalist. Die Wahrheit sagen. Ich habe sogar ein Buch darüber geschrieben, mit dem Titel „Wahrheit“.